High Noon in Balgach. Das ganze Dorf, kantonsweit bekannt durch den niedrigsten Steuersatz überhaupt, fieberte der grossen Diskussion zwischen der parteifreien Gemeindepräsidentin Silvia Troxler und dem FDP-Herausforderer Reto Schmidheiny entgegen. Balgach, im restlichen Rheintal sonst eher als betuliche, ja geradezu verschnarchte Gemeinde wahrgenommen, hatte sich in den letzten Wochen zum Epizentrum der umkämpften Gemeindewahlen vom 27. September entwickelt. Wie aus dem Nichts wurde der vermeintlich unumstrittenen und bereits seit acht Jahren im Amt befindlichen Gemeindechefin Troxler von Gemeinderatsmitgliedern aus FDP und SVP vorgeworfen, zu wenig zu kommunizieren, wichtige Projekte zu langsam voranzutreiben, kurz, zu viel zu verwalten und zu wenig zu gestalten. Und flugs war mit Reto Schmidheiny ein Präsidentschaftskandidat aus dem Ärmel gezaubert, der nun seit Monaten gegen seine Konkurrentin opponiert.
Nicht immer bremst die Präsidentin
Im Wesentlichen nichts Neues
Bei der Podiumsdiskussion, souverän geleitet durch den „Rheintaler“-Chefredaktor Gert Bruderer, erfuhren die Zuschauer im gut besuchten Saal aber im Wesentlichen nichts Neues mehr. Die beiden Kontrahenten tauschen ihre inzwischen schon altbekannten Argumente aus. Wer darauf gehofft hatte, dass Reto Schmidheiny auch erklären könnte, dass er nicht nur alles anders und besser machen würde, sondern auch, wie er das bewerkstelligen will, sah sich ein wenig enttäuscht. Denn Schmidheiny betonte immer wieder, die verschiedenen Projekte der Gemeinde, wie den hochwassergerechten Umbau des Wolfbachs, die Errichtung eines Alten- und Plegeheimes, die dörfliche Raumplanung oder die Entwicklung des Wild-Heerbrugg-Areals dadurch zu beschleunigen, dass von Anfang an mehr Gruppen in die Entscheidungen eingebunden werden sollten und besser kommuniziert werden sollte. Ob die Einbindung vieler Betroffener in Entscheidungsabläufe einen Projektablauf beschleunigt oder sogar weiter verlangsamt, kann sich jeder selbst ausrechnen.
Balgach ist mehr als Mittelmass
Silvia Troxler verwies auf ihren Erfolgskatalog der letzten acht Jahren. „Balgach ist mehr als Mittelmass. Ein attraktiver Wirtschaftsstandort, in dem sich Handel, Gewerbe und Industrie entwickeln kann und sich durch die richtig gesetzten unterstützenden Rahmenbedingungen auch langfristig und nachhaltig entwickeln wird.“ Die Gemeinde befinde sich derzeit im grössten Gestaltungsprozess überhaupt, nämlich der neuen Richt- und Raumplanung bis zur Implementierung einer neuen Bauordnung. Die Auswirkungen dieser jetzt getroffenen Entscheide würden erst in fünfzehn bis zwanzig Jahren sichtbar.
Sachlich, selbstbewusst und auch selbstironisch waren ihre Statements zu den verschiedenen in der Diskussion behandelten Themen. So habe es in der Planung Wolfsbach tatsächlich durch den Ausfall des planenden Diplomingenieurs eine gravierende Verzögerung gegeben. „Es ist nicht immer die Präsidentin, die bremsen tut!“ Für das Projekt Alten- und Pflegewohnheim würden jetzt die Machbarkeitsstudien für die beiden möglichen Standorte präsentiert und nach gefällter Entscheidung der Architektenwettbewerb eingeleitet.
Vorgangsweise in Diepoldsau als Vorbild
Herausforderer Reto Schmidheiny beharrte auf seinen bekannten Argumenten und verwies bezüglich des Alten- und Pflegewohnheims immer wieder auf die Vorgangsweise der Gemeinde Diepoldsau, die auch andere soziale Institutionen in das Altenzentrum implementiert hätte. Für ein rasches Fortschreiten beim Wolfsbach sprächen Sicherheitsgründe, wie auch ökonomische und ökologische Gründe. Es liege an der Gemeinde, aufzuklären und zu informieren. „Noch viel zu wenige Balgacher wissen, dass vom Wolfsbach eine Hochwassergefahr ausgeht.“ Und bei den Vergabeverfahren müsse man allgemein viel mehr die Spielräume des freihändigen Verfahrens ausnutzen, Balgacher Unternehmer beauftragen und nachverhandeln. Und wo nötig, müssten überhaupt bei die Wirtschaft betreffenden Fragen schnell Kompromisslösungen getroffen werden.
Fluktuation in der Gemeindeverwaltung
Was Silvia Troxler nicht wirklich entkräften konnte, war Schmidheinys Vorwurf der übermässigen Fluktuation bei den Verwaltungsbediensteten der Gemeinde: „Es wurde ja schon geprüft, wie ich mit den Leuten umgehe. Bei vielen Leuten, die noch sehr jung sind, stellt sich eben heraus, dass sie mit ihrer Aufgabe überfordert sind.“ Sie gab zu, dass man sehr viele Ingenieurs- oder Rechtsberatungsleistungen extern dazu kaufen müsse.
Der Herausforderer hingegen konnte auf die Frage des Moderators, was er denn eigentlich als Sachen oder Aufgaben der Gemeinde ansehe, nur ins Feld führen, dass man nicht unbegrenzt Eigenkapital horten solle. „So sind Spielplätze keine wahnsinnige Sache. Und ein Skaterplatz soll nicht umzäunt und abgeschlossen werden.“ Und auf die Frage, ob das Sparen seine Grenzen habe, antwortete er, „wir müssen bei den Projekten, die wir haben und umsetzen müssen, enge Grenzen setzen. Aber wir haben keine Notwendigkeit, den Steuerfuss weiter zu senken.“ Mit dem Geld könne man Sinnvolleres anstellen. So sei die Lüftung der Sporthalle ungenügend. „Und da gibt es viele Themen in der Natur, wo zB. mit der Ortsgemeinde und anderen gehandelt werden muss. Das kostet halt Geld.“
Mangelnde überregionale Partizipation
Als ein Lieblingsthema von Reto Schmidheiny hatte sich ja bereits im Vorfeld die mangelnde Beteiligung von Balgach in regionalen Organisationen erwiesen. „Wir sind hier massiv betroffen, dann müssen wir auch in den Gremien sein.“ Silvia Troxler entgegnete, dass es nicht der Gemeinderat bestimme, wer in den überörtlichen Gremien Einsitz nimmt, und dass die Verwaltungsräte in diesen Gremien meist schon vorbestimmt seien, wie man am Beispiel des Rheintalbinnenkanals sehen könne.
Es war trotz der Wiederholung der bekannten Argumente ein spannender Abend, eine spannende und informative Diskussion für die zahlreich erschienenen Balgacher.
Kommentar
Troxler gegen Schmidheiny. Das war das Duell einer kühlen und redegewandten Technokratin gegen einen rhetorisch schwachen und zunehmend müde erscheinenden Kandidaten mit besten Absichten.
Fehlende emotionale Kompetenz
Denn was unbestreitbar ist: Gemeindepräsidentin Silvia Troxler hat aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung das theoretische Rüstzeug, erfolgreich eine Gemeinde zu verwalten und Projekte zu managen. Was ihr in den Augen vieler Balgacherinnen und Balgacher und auch nach Meinung früherer Mitarbeiter fehlt, ist Empathie und eine hohe emotionale Kompetenz gegenüber Leuten, die eine andere Meinung vertreten.
Mit Sicherheit kein Verwaltungsmensch
Ihr Herausforderer Reto Schmidheiny hingegen ist mit Sicherheit kein Verwaltungsmensch. Sondern ein hemdsärmelig auftretender Mann aus der Privatwirtschaft, der glaubt, mit mehr Partizipation von Betroffenen und mehr Öffentlichkeitsarbeit wichtige Projekte beschleunigen zu können. So kam es bei der Diskussion rüber. Er will jedenfalls mehr Kommissionen einsetzen. Frei und böse gesagt nach dem bekannten Motto: „Wenn ich nicht mehr weiter weiss, bilde ich einen Arbeitskreis.“
Schmidheiny vermittelte in der Podiumsdiskussion den Anschein fehlender spezfischer Erfahrung und Ausbildung, um in einer dem Legalitätsprinzip verpflichteten Gemeindeverwaltung, zu deren Abläufen er nach eigenem Bekennen nichts sagen könne, zu reüssieren.
Insgesamt schade, dass es keinen dritten Kandidaten gibt, der das theoretische Rüstzeug einer Silvia Troxler und die zwischenmenschliche Kompetenz des Vereinsmenschen Reto Schmidheiny auf sich vereinigt. So wird es für die Balgacher keine leichte Wahl.
Dr. Gerhard Huber, Chefredaktor