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Gast-Kommentar
Region Rheintal
06.11.2023
08.11.2023 07:00 Uhr

Frostige Zeiten

Bild: Marina Lutz
Krieg der Leserbriefschreiber: Die Eishalle Rheintal polarisiert. Aber sind «Nein-Sager» wirklich immer unsolidarisch?

Am Ende des Tages kann man nur Ja oder Nein hinschreiben. Es gibt keinen Gegenvorschlag und schon gar keinen Plan B. Die Stimmbürger aus vier Gemeinden müssen bekunden, ob sie ihren Beitrag zu den 28 Millionen Franken für eine neue Eishalle in Widnau beisteuern wollen oder nicht, basta.

Was nun passiert, ist ein Déjà-vu. Wir haben es bereits vor der Abstimmung über die Fussballanlage Tägeren in Au und Berneck erlebt. Wer das Projekt ablehnte, galt als unsolidarisch. Das eigene Portemonnaie, so die These, ist den Besagten wichtiger als das öffentliche Wohl. Dasselbe geschieht nun mit Kritikern der Eishallen-Vorlage. Ganz nach dem Motto: Haben diese Leute denn gar kein Herz für schlittschuhbegeisterte Kinder und Jugendliche?

Darin liegt ein Denkfehler. Sich Gedanken über die öffentlichen Finanzen zu machen, ist auch ein Akt der Solidarität, gerade Richtung jüngere Generationen. Es dürfte zudem eine Minderheit sein, denen es um ihre eigene Steuerrechnung geht. Die meisten der Zweifler machen sich einfach Gedanken darüber, ob Kosten dieser Grössenordnung zu vereinbaren sind mit anderen anstehenden öffentlichen Aufgaben. «Nein-Sager» sind nicht einfach generell Verhinderer. Sie sagen Nein zu einem bestimmten Projekt – und Ja zu einem anderen.

Berechtigte Fragen

Wenn wir im privaten Rahmen über eine grössere Ausgabe nachdenken, sei es ein Haus, ein Auto oder teure Ferien, diskutieren wir unsere finanziellen Möglichkeiten, bevor ein Entscheid fällt. Es ist nicht verkehrt, das auch beim öffentlichen Haushalt zu machen.

Dass viele Kritiker aus Au stammen, ist übrigens kein Zufall. Wenn ein Gemeinderat unter düstersten Prognosen eine happige Steuererhöhung durchsetzen will und wenig später Millionen für ein Projekt in der Nachbargemeinde aufwerfen möchte, wirft das nun einmal Fragen auf.

Die Debatte über den Neubau einer Eishalle ist sehr zu begrüssen. Billige Vorwürfe wie mangelnde Solidarität sind es nicht. Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten. Was vielen aber sauer aufstösst, ist die Endgültigkeit, mit der die Vorlage verkauft wird. Ein Nein sei das Ende des Eissports im Rheintal, heisst es – und das ermöglicht es den Befürwortern, den Kritikern einen Kahlschlag vorzuwerfen.

Die Misere und die verhärteten Fronten liegen am oben erwähnten fehlenden Plan B. Es ist nie eine gute Idee, den Stimmbürgern das Messer an die Kehle zu setzen. Demokratie geht davon aus, dass man mit gutem Gewissen Ja oder Nein sagen kann, ohne gleich die Apokalypse auszulösen. Deshalb liegt es in der Verantwortung der Behörden, den Leuten nicht einfach Angst zu machen, sondern Szenarien für jeden Fall zu entwerfen.

Alternativen entwickeln

In Bezug auf die Eishalle heisst das: Wenn sie so unverzichtbar ist, wie es die Befürworter sagen, wird es auch in Zukunft ein Angebot geben, unabhängig vom Abstimmungsresultat. Dieses Angebot sieht vielleicht einfach anders aus. Wie? Darüber sollten sich die Leute die Köpfe zerbrechen, die das Geld ausgeben wollen, und dafür müssen sie sich Fragen stellen:

Geht es allenfalls doch billiger? Ist der Standort (und damit auch die Mitfinanzierer) in Stein gemeisselt, zumal wir ja von der «Eishalle Rheintal» sprechen? Gibt es alternative Finanzierungsmöglichkeiten? Lässt sich das Projekt mit einem anderen Bedürfnis verbinden und damit Kosten senken? Die Liste ist nicht abschliessend.

Möglicherweise wurde all das geprüft und vielleicht auch berechtigterweise verworfen. Aber dann wird das Ergebnis schlecht verkauft. Derzeit heisst es einfach: «Wer Eissport im Rheintal will, muss exakt zu diesem Projekt Ja sagen, etwas anderes kriegt ihr nicht.» Das Resultat kennen wir aus dem kleinen Einmaleins des politischen Marketings: Es löst bei vielen Stimmbürgern (und Steuerzahlern) ein schlechtes Gefühl in der Magengrube aus. Niemand lässt sich gern nötigen.

Extrarunde ist nicht das Ende der Welt

Hier zur Beruhigung: Früher oder später findet sich für alles eine Lösung. Die Schweiz ist voll von öffentlichen Anlagen, die nichts mehr zu tun haben mit der Ursprungsidee, weil sie nach einem Nein eine Ehrenrunde drehen mussten. Kaum irgendwo wurde einfach dauerhaft auf ein Angebot verzichtet, das als wirklich wichtig galt. Aber sehr oft gelang es wundersamerweise plötzlich, ein Bedürfnis günstiger und doch ohne wesentliche Einbussen zu befriedigen. Es ist wie ein Naturgesetz: Der erste Vorschlag des Staats ist immer zu teuer.

Wenn es also einfach darum geht, dass das Rheintal eine Eishalle hat, ist es deshalb die Pflicht der Behörden, für den Fall einer Ablehnung ein Ass im Ärmel zu haben. Es ist zu hoffen, dass dem so ist. Aber eben, genau wie beim Pokern gilt: Man will dieses Ass nicht zu früh zeigen und hofft, dass der Gegner auch so auf den Bluff reinfällt.

Jede Woche wird «züüslat»

Die Kolumne «Züüsla mit Millius» erscheint wöchentlich nur auf rheintal24.ch. Der Auer Journalist kommentiert lokale und regionale Ereignisse mit spitzer Feder und aus einer anderen Perspektive.

Stefan Millius
Journalist & Autor
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Stefan Millilus