Die rund 180 Besucher in der ausverkauften Aufführungsstätte beim Altacher Kieswerk Kopf wurden von einer wunderbaren Stimmung, die die untergehende Sonne auf die prächtige Naturlandschaft zauberte, empfangen. Und sowohl vom Altacher Bürgermeister Markus Giesinger als auch vom Diepoldsauer Patrick Spirig als Präsident des Vereins «100 Jahre Diepoldsauer Rheindurchstich» mit einleitenden Worten begrüsst wurden.
Überschwemmungen, Schmugglar und ein grosser Tunichtgut
Grünlich wie der Rhein gewandet
Sie kündigten das von Heidi Salmhofer geschriebene und inszenierte humorvolle und auch traurige Theaterstück «Die Korrektur eines Tunichtguts» an, das an diesem Abend uraufgeführt wurde. Schon bei diesen einleitenden Worten war im Hintergrund am Ufer des Alten Rheins eine geheimnisvolle, in Grau-Grün gewandete Figur zu sehen, die die Arme in Wellenbewegungen schwenkte und Kieselsteine ins Wasser warf. Nämlich der von Stefan Bösch fulminant dargestellte «Rhein».
Es waren auf dem weiten Platz des Kieswerks Kopf vor einmaliger Kulisse vier schlichte, Häuser symbolisierende Holzgestelle platziert, in denen in einzelnen Szenen das Leben und Leiden der Rheintaler Bevölkerung zu Zeiten, in denen der Rhein noch nicht gezähmt war, dargestellt wurden. Von insgesamt 19 Schauspielerinnen und Schauspielern aus den Amateur-Theatergruppen der an den heutigen Alten Rhein anrainenden Gemeinden.
Ein Fluss voller Kurven und Veränderungen
«Mein Leben ist ein Fluss voller Kurven und Veränderung», spricht der Rhein eingangs des Theaterstücks, «Neben mir und mit mir zu sein, bedeutet stetige Veränderung.» Was sogleich auch szenisch demonstriert wurde. Denn wenn der Ruf «Da Rhy kummt» erschallte, dann war Flucht angesagt.
Das Stück berichtete über die Geschichte der menschlichen Bemühungen im Rheintal, des Rheins Herr zu werden. Durch Polder und Dämme. Berichtete über den Ritt von Johann Ender nach Wien, um bei Kaiser Franz Josef die Zusage zu holen, dass die Monarchie für diese Verbauungen aufkomme. Doch alles in allem waren es hilflose Versuche, den periodisch das Tal überflutenden Wassermassen Paroli zu bieten.
Die die Bevölkerung darstellenden Schauspieler packten so gut es ging ihre Siebensachen und der Tunichtgut Rhein begann sein zerstörerisches Werk, indem er Körbe umstiess und Chaos verursachte. Was vor der Rheinregulierung tatsächlich etwa alle sechs Jahre geschah. Und dazu führte, dass manche der Geplagten sogar ins Tirol auswanderten.
Entspannende Gags
Immer wieder hat Autorin Heidi Salmhofer entspannende Gags eingebaut. Besonders köstlich die Darstellung des Besuchs des in Dialekt sprechenden Johann Ender beim Kaiser, der nichts verstanden hatte. «Wos hot er gsogt?». Oder die wiederkehrende Runde der drei Verhandlungsführer aus der Schweiz, Vorarlberg und der Monarchie, die von den Überschwemmungen immer wieder an den Verhandlungstisch zurückgezwungen wurden.
In weiteren Episoden, die von Liebschaften über den Fluss hinweg, von der Fertigstellung des Durchstichs bei Fussach und schliesslich nach dem Ende des ersten Weltkriegs und der österreichisch-ungarischen Monarchie auch vom Durchstich bei Diepoldsau handelten, wurde Geschichte in wunderbarer Art szenisch erlebbar gemacht.
Videos: Ulrike Huber
Mit der Episode über die «Schmugglar» kam auch eine Prise Slapstick und derber Humor zur Aufführung. Wobei einem dann in einer besonders berührenden Szene das Lachen im Halse stecken blieb. Denn in einmaliger und grossartiger Darstellung wurde das Leiden der vielen Flüchtlinge thematisiert, die vor den Nazis über den Alten Rhein und die dort verlaufende Landesgrenze des Deutschen Reichs in die rettende Schweiz gelangen wollten. Und von den Grenzpolizisten mit vorgehaltener Waffe wieder zur Rückkehr gezwungen wurden.
Spezieller, wunderbarer Theaterabend
Alles in allem erlebten die Besucher einen ganz speziellen, wunderbaren Theaterabend in einer grandiosen Naturkulisse. Lehrreich für alle, die sich noch nicht mit der Geschichte der Rheinregulierung befasst hatten. Unterhaltsam und durch die – es sei nochmals wiederholt – grossartige Leistung des gesamten Ensembles, das auch durchgehend in den verschiedenen Dialekten der Anrainer Gemeinden gesprochen hatte, zu einem unvergesslichen Erlebnis geadelt.