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Wirtschaft
15.08.2020

Wie das Holz zum Fass wird

Martin Thurnheer erläutert den Entstehungsprosess eines Barrique-Fasses (Bilder: Ulrike Huber)
Martin Thurnheer erläutert den Entstehungsprosess eines Barrique-Fasses (Bilder: Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
Eines der ältesten, heute aber nur noch selten ausgeübten Gewerbe ist die Küferei. Ein Einblick in ein altes Handwerk.

In mehreren Reihen übereinander liegen die frisch gefertigten Barriquefässer mit je 225 Liter Fassungsvermögen. Daneben stehen zwei Grossfässer. Sonderanfertigungen für 2´000 oder sogar 2´500 Liter Wein. Runde Schnaps- und Zierfässer aus Eichenholz mit einem Fassungsvermögen von 5 bis 30 Litern ergänzen die auf Lager liegenden Werkstücke. Sogar ein „Bütterich“ ist zu sehen, das ist ein altes Rheintaler Trinkgefäss, das 1,7 Liter Inhalt umfasst und mit einem Messinggriff versehen ist. Als Geschenke sind diese Zierfässer ideal. Was auch Isolde Frick aus Balzers FL so sieht, die gerade einen von ihr bestelltes kleines Zierfass abholt. „Das ist ein Geschenk zur silbernen Hochzeit meines Bruders.“ Doch nicht nur neue Fassgebinde entstehen in der Küferei Thurnheer, an diesem Ort mit langer Handwerkstradition. Gerade eben wurden von der Brauerei Locher aus dem Appenzell zwei uralte 12-Liter-Bierfässer gebracht, die reaktiviert werden sollen. Das heisst für den Küfer, dass er zunächst einmal den „Pich“, also den Teerbelag, der sich an den Innenwänden gebildet hat, aushobeln muss.

In Berneck werden auch Grossfässer gefertigt Bild: Ulrike Huber

Betrieb von seiner Mutter übernommen

Anspruchsvolle Aufgaben für den 37-jährigen Küfermeister Martin Thurnheer, der die Lehre noch bei seinem bereits verstorbenen Vater machte und 2019 den seit 1854 bestehenden Familienbetrieb von seiner Mutter übernommen hat. „Es gibt nur noch fünf aktive Küfereien in der Schweiz“, erzählt der von seinem Beruf sichtlich begeisterte Fassbinder. Ein Küfer (auch Binder, Bender, Schäffler, Böttcher oder Büttner genannt) braucht zur Herstellung von Gefässen aus Holz eine äusserst genaue, vorausplanende Arbeitsweise und viel Geduld.

 Mehrjährige Holzlagerung notwendig

 „Am Anfang der steht der Einkauf des geeigneten Holzes. Ich arbeite ausschliesslich mit Eichenholz aus der Schweiz, wo ich jeweils ganze Stämme kaufe, die zunächst entrindet und gespalten werden. Dann wird das Holz zwei Jahr im Freien und ein Jahr unter Dach gelagert. Denn nur luftgetrocknetes Holz kann zu Dauben gebogen werden, ofengetrocknete Werkstücke würden brechen.“ Der Weg vom getrockneten Holz bis zu den fertigen Fassgebinden ist noch arbeitsreich und weit. Zuerst müssen die Holzstücke unter Zuhilfenahme von Metallschablonen exakt geschnitten und gehobelt werden. Die schrägen Kanten und die etwas bauchige Form der Dauben müssen genauestens passen, damit später zwischen diesen Werkstücken kein Wein austreten kann. Denn ein Küfer verwendet keine Dichtmittel, einzig der Passgenauigkeit der Arbeit ist die Dichtheit der Fässer zu verdanken. “In meine Fässer kommen kein Leim, kein Silikon und keine Schrauben. Alles nur Holz auf Holz!“

Feuerverzinkter Bandstahl hält die Ringe zusammen Bild: Ulrike Huber
Ein Küfer braucht viele verschiedene Werkzeuge Bild: Ulrike Huber

Ringe aus feuerverzinktem Bandstahl

Die Dauben eines Fasses werden dann an einem Ende mit dem obersten Ring aus feuerverzinktem Bandstahl verbunden. Dann wird ein Feuerkorb in den unteren Fassbereich, wo die noch nicht gebogenen Dauben auseinanderstreben, gestellt. Eineinhalb Stunden lang wird eingefeuert und gleichzeitig das Holz permanent mit Wasser besprüht, sodass es innen und aussen weich und biegsam wird. „Dann ziehen wir die Dauben mit Stahlseilen zusammen und klopfen die restlichen Fassreifen auf das Fass“, schildert Martin Thurnheer den weiteren Vorgang, „es folgt gleich das Ausfeuern, mit dem die Feuchtigkeit wieder aus dem Holz gezogen wird.“ Der Boden der Fässer besteht ebenfalls auch Eichenholz, das mit Dübel aus Eschenholz verbunden und in die vorher eingefräste Nut, auch „Gargel“ genannt, eingesetzt wird. Fertig ist ein „normales“ Fass, in dem Weisswein, Most oder weniger anspruchsvolle Rotweine gelagert werden können. „Meine Kunden kommen aus der ganzen Schweiz. Vom kleinen Weinbauern bis zum Grossbetrieb. So ergeben sich auch einige Spezialaufträge, wie etwa die derzeit bestellten fünf Grossfässer mit Volumen von 1´000 bis 2´500 Litern. Aber den grössten Teil der Bestellungen machen die Barrique-Fässer aus, von denen jährlich bis zu 200 Stück in meiner Küferei bestehen.“ 

Mit alten Schablonen werden die Hölzer exakt zugeschnitten Bild: Ulrike Huber
In den Barriquefässern werden später Weine, Whisky und Bier gelagert Bild: Ulrike Huber

Edle Tropfen in Barriquefässern ausgebaut

Denn wer als Winzer seine Weine im Bordeaux- oder Burgunderstil körperreich und mit vollem Mundgefühl ausbauen will, wer mit Vanillearoma, Gerbstoffen und Tanninen seine Rotweine geschmackvoller gestalten will, der wird den edlen Tropfen in Barriquefässern einlagern und damit ausbauen. Wenn Weine hoher Qualität in einem solchen getoasteten Holzfass ausgebaut werden, entsteht ein im Gesamtbild harmonischer, lagerfähiger Wein. Erfunden haben diese Art der Weinlagerung die Winzer und Weinhändler von Bordeaux, insbesondere Louis-Gaspard Estournel, der Anfang des 19. Jahrhunderts festgestellt hatte, dass einige nach Arabien und Indien gelieferte und dort nicht verkaufte Weinpartien nach ihrem Rücktransport viel besser geworden waren. So beschloss er, alle seine Weine vor dem Verkauf über längere Zeit in Holzfässern zu lagern und zu transportieren.

 Durch Toastung entstehen Röstaromen

 Wie wird ein normales 225-Liter Fass getoastet und dadurch zum Barrique-Fass? Martin Thurnheer weiss die Antwort: „Das neue Fass kommt ohne Boden nochmals auf das Feuer, sodass die Hitze direkt auf die Innenfläche wirken kann. Wie lange, lege ich in Absprache mit dem bestellenden Weinbauern fest. Meist dauert der Vorgang etwa eine Stunde.“ Je nach Kellerei werden diese Fässer dann für zwei bis drei Jahre genutzt und anschliessend zur Einlagerung von Whisky, Schnaps, Rum oder Bier weiterverkauft. Denn die durch die „Toastung“ entstehenden Röstaromen geben nicht nur dem Wein, sondern vor allem auch dem Whisky seinen eigenen Geschmack.

gmh/uh
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