Jahrzehntelang war das einzigartige, im Weiler Steingacht an der Strasse Reute/Oberegg – Mohren – Altstätten gelegene Sticklokal Ziel für unzählige Besucher. Mit Herzblut und jugendlichem Feuer gewährte die quirlige Lina Bischofberger ihren Besuchern Einblicke in ihr selten gewordenes Kunsthandwerk, um sich dann an die mächtige Maschine zu setzen.
Das nun mit grösster Spannung verfolgte Besticken der «Tüechli» erinnerte an längst vergangene Zeiten und löste regelmässig Staunen und auch Begeisterung aus. Komplimente seitens der Besucher quittierte Lina mit der Feststellung, dass sie dankbar für die gute Gesundheit sei, die es ihr erlaube, noch immer täglich an der Handstickmaschine zu arbeiten.
Familientradition weitergeführt
Am 24. Juli 1924 geboren, wuchs Lina Bänziger mit drei jüngeren Geschwistern in der abgelegenen Mohrenmühle auf. Nach der Schulzeit in Mohren und Altstätten war sie in Neuhausen und Rebstein als Köchin tätig. 1948 schloss sie mit dem 22 Jahre älteren Roman Bischofberger den Bund der Ehe, dem zwei Töchter entsprossen.
Im Untergeschoss des Wohnhauses im Steingacht standen drei Handstickmaschinen, die der Familie ein bescheidenes Einkommen sicherte. Als Roman 1988 verstarb, sorgte die längst zur versierten Fachfrau gewordene Witwe für die Weiterführung der Familientradition.
Führte sie anfänglich noch Aufträge für Textilhäuser in St.Gallen und Appenzell aus, so wurde sie mehr und mehr zur eigenverantwortlichen Unternehmerin, um Tüechli und Monogramme für Firmen, Vereine und Private zu besticken.
Grosses Interesse der Medien
Standen Ende des 19. Jahrhunderts im Textilkanton Appenzell Ausserrhoden noch 3000 Handstickmaschinen im Einsatz, so war Lina Bischofbergers Lokal der noch einzige Ort, wo das Kunsthandwerk an einer weit über hundert Jahre alten Maschine ausgeübt wurde.
Entsprechend gross war das Interesse von Fernsehen, Radio und Presse, die regelmässig über die letzte Handstickerin und ihr längst zur Rarität gewordenes Arbeitsgerät berichteten.
Stickmaschine blieb erhalten
Gross war die Freude der 92-jährigen Lina, als ihre geliebte Stickmaschine 2016 im Appenzeller Volkskundemuseum einen neuen Platz erhielt. Vorher nutzte sie die Gelegenheit, zwei Nachfolgerinnen anzulernen, die heute zeitweilig in Stein im Einsatz stehen.
2017 entschied sich die zeitlebens aktiv gebliebene Frau für den Umzug ins nahe gelegene Altersheim Watt. Auch hier blieb sie nicht untätig, half in der Küche mit und betätigte sich als «Lismerin» von Socken, die Bekannten und Freunden grosse Freude bereiteten.
Im familiären Haus Watt fühlte sie sich gut aufgehoben, und hier schloss sich ihr Lebenskreis. Als vielseitig engagierte, feinfühlige und der maschinellen Handstickerei verpflichtete Persönlichkeit bleibt Lina Bischofberger unvergessen.