Das schafft im Rhintl nur die Berta Thurnherr. Freitagabend kamen zur Vorstellung ihres neuen Buches und zu ihrer Lesung rund 180 Zuhörer in die Mehrzweckhalle Kirchenfeld in Diepoldsau. Und feierten «ihre» Berta mit Standing Ovations und einem spontan von ihrem Bruder angestimmten Lied.
Gedichte, Gschichta und Standing Ovations
Identität und Persönlichkeit
Gemeinderat Karin Aerni-Stricker war es vorbehalten, im Rahmen der Begrüssung der Besucher eine Laudatio auf das Diepoldsauer Urgestein Berta Thurnherr zu halten. «Sie sieht in der in ihren Gedichten und Geschichten gepflegten Mundart ein Zeichen für Identität und Persönlichkeit. Ihre Geschichten verknüpfen Alt mit Neu und Wichtiges mit Nebensächlichem.»
Das Publikum liabt sie
Die Diepoldsauer Autorin strahle weit über die Landesgrenzen hinweg und wurde ihr Schaffen dafür auch schon mit dem «Goldiga Törgga» und dem Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung ausgezeichnet. «Berta liabt ihr Publikum und das Publikum liabt sie", so Karin Aerni-Stricker, die an die Aufführung des Mundart-Freilichttheaterstücks «Hinter dem Damm» erinnerte. «Ein lokal-historisches Theaterstück, dessen Ziel der Erhalt und die Förderung des Dialekts war.»
In ihrem neuen Buch «Rundumm Rii», das schon im Titel darauf Bezug nimmt, dass Diepoldsau rundum vom Rhein eingerahmt ist, finde man Geschichten voller Witz und Poesie. Was die Lektorin von Berta Thurnherr beim Verlag Edition Spoken Script Ursina Greuel in ihrem Beitrag nur bestätigen konnte.
«Du hast ein Leben lang zugehört. Und schon im Kindergarten ein Gespür für die Sprache entwickelt.» Was die Dichterin nur bejahen konnte: «In unserer Familie wurden immer schon viele Geschichten erzählt. Viele wahre und viele verlogene. Der Unterschied war oft nur schwer zu finden.» Berta Thurnherr erzählte im Interview mit Ursina Greuel davon, wie sie schon vor sehr vielen Jahren mit ihrer Schwester mit einem Tonband bewaffnet, Geschichten bei den Leuten gesammelt habe.
Eigene Mundart-Schrift entwickelt
«Ich habe mir dann viele Jahre später einmal ein halbes Jahr Urlaub genommen und die Tonbänder Wort für Wort in Schrift transkribiert.» Wofür die Mundartliteratin sogar eine eigene Schrift entwickelte, um den Feinheiten der Mundart gerecht zu werden. «Und ich habe auch angefangen, in Mundart zu dichten und zu schreiben. Die aufgefundenen Geschichten haben mich tief berührt. Das war wie Schatzsuchen und -finden.»
Bei der Vorbereitung des Buches sollte sie über Wunsch der Lektorin ihre Gedichte und Geschichten in Kapitel einteilen. «Zunächst glaubte ich nicht, dass ich das könnte. Meine Texte sind wie Gerstensuppe, die kann man auch nicht in ihre Bestandteile zerlegen, dann schmeckt es nicht mehr. Doch dann habe ich das mit den Kapiteln geschafft.»
Lebensklug und hintersinnig
Dann las Berta Thurnherr einige Texte aus ihrem neuen Buch vor. Lebenskluge, hintersinnige, nachdenkliche, heitere Texte. Etwa über die Dreissiger-Jahre und die aktuelle Flüchtlingslage. Oft nur Dreizeiler. Stets amüsant. Über den Frühling oder auch den Tod. Nein, der Schreiber dieser Zeilen wird nicht das Gesagte zitieren, wer die Geschichten und Gedichte selbst erfahren will, soll sich das Buch «Rundumm Rii» in der Buchhandlung seiner Wahl besorgen.
«Danka vielmols fürs Zualoasa!» So beendet die Poetin ihren Vortrag, gefolgt von tosendem Applaus, zu dem sich das Publikum von seinen Stühlen erhob. Dann geschah, was wohl noch selten bei einer Lesung geschehen ist. Der unter den Besuchern weilende Bruder von Berta Thurnherr stimmte ein Lied an und viele sangen mit.
Und was bei einer Lesung ebenfalls völlig unüblich ist: die Buchautorin musste eine Zugabe geben. Wobei sie dafür aus ihrem Buch «etwas Längeres und etwas Wahres» aussuchte. Und nicht vergass, sich bei allen, die diese Lesung ermöglicht und unterstützt hatten, zu bedanken. Besonders auch mit stolzgeschwellter Brust bei ihrer Enkelin Alice Köppel, die die Veranstaltung mit ihrer Oboe mit wunderbar zarten Musikstücken begleitet hatte.