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Oberriet
10.11.2022
11.11.2022 08:48 Uhr

«Friedli wird den zweiten Sitz holen»

Roland Rino Büchel: «Es ist keine gute Idee, das Geschlecht zum Hauptkriterium zu machen.»
Roland Rino Büchel: «Es ist keine gute Idee, das Geschlecht zum Hauptkriterium zu machen.» Bild: KEYSTONE/Peter Schneider
Egal, ob Bundesrats-, Regierungs- und Ständeratswahlen oder das Konfliktpotenzial zwischen Wintersport und vorweihnachtlicher Fussball-WM: Der Rheintaler SVP-Nationalrat und Sportmanager Roland Rino Büchel hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Nur ob er selbst Regierungsrat werden will, verrät er im rheintal24-Interview nicht. Noch nicht.

Roland Rino Büchel, Sie haben gestern und vorgestern am «Weltforum für Demokratie» in Strassburg teilgenommen. Dort diskutierten Leute aus der ganzen Welt. Machen solche Anlässe überhaupt Sinn?
Das Forum fand zum zehnten Mal statt. Es gibt immer wieder gute Ansätze. Trotzdem: Ich bin schon erstaunt, wie «gescheite» Theoretiker die «Demokratie» definieren und leben.

Warum sind Sie skeptisch?
Es ist eine elitäre Sicht, dass die Menschen auch in Demokratien «geführt», «geschützt» und auf den «richtigen Weg gebracht» werden müssen, damit sie nicht «falsch» entscheiden. Für mich ist das genau das Gegenteil von «Demokratie». Eine solche muss auch «unerwünschte» Meinungen zulassen und aushalten.

Das Modell «Schweiz» als Vorbild für die Welt also?
Wir müssen zu unserer einmaligen direkten Demokratie Sorge tragen, diese immer wieder erklären und verteidigen. Ein solches Modell muss sich über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte entwickeln und festigen. Dieses Konzept kann man anderen Ländern mit anderen Sitten nicht einfach überstülpen.

Die hiesige Politik ist momentan ziemlich aufgewühlt, im Kanton St.Gallen auch wegen der Ersatzwahl für Ständerat Paul Rechsteiner. Anders als viele Experten sagen Sie, dass die SVP den Sitz mit Esther Friedli erobern wird.
Im ersten Wahlgang vom 12. März 2023 wird Esther klar oben aus schwingen. Für den zweiten Wahlgang braucht es dann ein intelligentes Verhalten der bürgerlichen Parteien, um den Sitz zu holen.

Die Grünen, die SP und die FDP werden mit Franziska Ryser, Barbara Gysi und Susanne Vincenz-Stauffacher antreten, alles bekannte Nationalrätinnen. Eine reine Frauenwahl also?
Wir wissen jetzt auch, dass die GLP nicht antritt, weder mit einer Frau noch mit einem Mann. Erstaunlich, dass die derzeitige Modepartei bei diesen Wahlen nicht mitmacht. Es ist hingegen gut möglich, dass sich noch der eine oder andere Parteiunabhängige meldet.

Der einzige St.Galler SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. Nationalrat Mike Egger hat sein Interesse für den Posten angemeldet. Sind auch Sie in den Startlöchern?
Die SVP St.Gallen will zwei Sitze in der St.Galler Regierung. Dafür benötigen wir brauchbare und ambitionierte Leute. Gut, dass wir solche in unseren Reihen haben. Wir werden sehen, wer sich meldet. Das pressiert nicht.

Die Fussball-WM in Katar beginnt in genau zehn Tagen. Die jüngsten Diskussionen dazu wurden in der Schweiz Ende Oktober durch einen Protest der Juso vor dem FIFA-Museum angestossen. Das Medienportal «Watson» berichtete gross. Dort kritisierten Sie die Jungsozialisten scharf. Warum sind Sie so haarig mit den Protestierenden?
Es ist immer hilfreich, wenn man drauskommt, wenn man einen Anlass oder einen Zustand kritisiert. Dies ist bei den Urhebern der lauten Aktionen eher selten der Fall.

Das ist doch kein Grund, dass sie nicht demonstrieren dürfen. Möchten Sie das Demonstrationsrecht einschränken?
Im Gegenteil. Es ist gut, dass sich die Menschen auf der Strasse bemerkbar machen können. Dieses Recht ist während der Coronazeit von staatlicher Seite her allzu oft unterdrückt worden. Was hingegen von der Seite der Demonstranten her nicht geht, sind Sachbeschädigungen oder Kasperlitheater-Übungen.

Was oder wen meinen Sie damit?
Die Verpeilten, welche sich auf die Strasse, an Kunstwerke oder sonst wohin kleben.

Neu protestieren auch Homosexuelle vor dem FIFA-Museum, weil ein WM-Botschafter die Homosexualität als «geistigen Schaden» bezeichnet hat. Sie sagen im «Blick» und in anderen Medien, dass Ueli Maurer seine Reise an die WM trotz der weltweiten Empörung nicht annullieren soll. Warum?
Sollen nun alle Reisen und politischen Treffen abgesagt werden, weil irgendeine Person in irgendeinem Land etwas sagt, mit dem man nicht einverstanden ist? Wirklich? Dann können wir alle Flughäfen dieser Welt per sofort schliessen.

In Paris steht der nächste sportliche Grossanlass an. Auf die Olympischen Sommerspiele 2024 hin wird dort viel gebaut …
… dazu hat die internationale Baugewerkschaft BWI durchaus Erstaunliches zu vermelden.

Was?
Die Franzosen machen offenbar keine gute Figur. Bis vor kurzer Zeit waren die Baustellen für internationale Inspektoren, anders als in Katar übrigens, fast komplett zu. Derzeit wird den Gewerkschaftern der Zutritt vielfach aus vorgeschobenen «Sicherheitsgründen» verwehrt. Ich frage mich, wann auch «Paris 2024» von den Linken kritisch unter die Lupe genommen wird.

Sie haben einige Erfahrung in einer Sportart, in welcher die Schweizer sehr erfolgreich sind.
Zum Jassen kann man mich nicht brauchen, als Schwinger bin ich mit meinen 85 Kilos zu leicht. Welchen Sport meinen Sie?

Sie waren Sponsoring-Chef bei Swiss Ski. Ausser dem Männer-Riesenslalom zum Weltcupauftakt in Sölden mussten bisher alle Rennen abgesagt werden. Wird der alpine Skisport im Rummel um die Winter-WM von Katar untergehen? 
Nein. Wir können uns auf die alpine Saison freuen. Nehmen wir Marco Odermatt als Beispiel: Dieser Champion ist aus einem richtig guten Holz geschnitzt. Beat Feuz ist ebenfalls eine «coole Socke». Und sie sind bei Weitem nicht die einzigen guten Typen im Schweizer Team.

Im Sport ist auch das Umfeld sehr wichtig.
Das Zusammenspiel zwischen dem neuen Hauptsponsor Sunrise, den Athleten und dem Verband scheint zu funktionieren. Der ehemalige Abfahrtsweltmeister Dr. Urs Lehmann hat als Präsident von Swiss Ski seinen Laden im Griff. Urs gewann seinen Titel im Jahr 1993 übrigens im Käseanzug; die Feier im «Swiss Chalet» im japanischen Shizukuishi war legendär.

Sie waren für die «Swiss Chalets» bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zuständig, als Sie zusammen mit dem Altstätter Victor Rohner das «Käsesponsoring» leiteten. Ist eine Geschichte, wie sie damals mit den «Käseanzügen» geschrieben wurde, heute noch möglich
Das Konzept und die Umsetzung waren wohl weltweit einmalig. Es fällt mir leicht, dies zu sagen … (lacht). Im Ernst: Das Sponsoring von 1992 bis 1999 hat bei vielen Skifans heute noch Kultcharakter.

Woran liegt das?
Die Käseanzüge sahen cool aus. Wichtiger aber: Wir hatten damals mit Sonja Nef, Paul Accola, Vreni Schneider, Mike von Grünigen, Didier Cuche & Co. hervorragende Athleten und herausragende Persönlichkeiten im Team. Zudem waren mit Trainern wie Fritz Züger Menschen dabei, welche ihren Job mit Leib und Seele lebten.

Es herrschten also optimale Voraussetzungen für die Promotion von Schweizer Käse?
Nicht ganz. Das Projekt wäre noch erfolgreicher gewesen, wenn sich damals der Staat und die eidgenössische Politik weniger in das Marketing von Emmentaler, Gruyère und Sbrinz eingemischt hätten.

Zum Stichwort «Eidgenössische Politik»: Am 7. Dezember 2022 werden die Nachfolger von Bundesrat Ueli Maurer und Bundesrätin Simonetta Sommaruga gewählt.
Ueli Maurer wird riesige Fussstapfen hinterlassen. Mit Nationalrat Dr. Albert Rösti hat die SVP einen bestens qualifizierten Kandidaten, mit Ständerat Werner Salzmann und Prof. Dr. Hans-Ueli Vogt sind weitere sehr gute Leute in den Ring gestiegen. Ihre Dossiers werden jetzt von der Findungskommission um den ehemaligen Fraktionspräsidenten Caspar Baader geprüft. Ex-SVP-Präsident Toni Brunner ist dort mit dabei, aber auch Ex-SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz sowie der aktuelle Chef der Fraktion, Thomas Aeschi. Dazu kommen weitere erfahrene Persönlichkeiten.

Was ist deren Aufgabe?
Sie prüfen die Kandidaten auf Herz und Nieren und unterbreiten der SVP-Fraktion dann einen Vorschlag. Wir werden diesen am 18. November 2022 an unserer Sitzung beraten.

Auch, ob die SVP mit einem Einer-, Zweier- oder Dreiervorschlag ins Rennen steigt?
Ja. Aber ein Einervorschlag macht für mich keinen Sinn.

Sie haben die beiden SVP-Regierungsräte aus der Innerschweiz nicht erwähnt, Heinz Tännler und Michèle Blöchlinger. Warum?
Sie gehören nicht zu meinen Favoriten. Michèle Blöchliger hat sich schwer verheddert. Und ich glaube nicht, dass die SVP-Fraktion in diesen struben Zeiten einen 62-jährigen Mann ins Rennen schicken wird, der vor seinem Wechsel zu uns jahrelang für eine andere Partei im Zuger Kantonsrat sass. 

Zurück zu «Ihren» Kandidaten: Rösti ist der breiten Öffentlichkeit bekannt, Salzmann und Vogt eher weniger. Was halten Sie von den beiden?
Prof. Dr. Hans-Ueli Vogt ist einer der intelligentesten und feinfühligsten Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin. Werner Salzmann ist ein grundsolider, kompetenter und sehr fleissiger Ständerat.

Anders als die SVP wird die SP ihre Kandidatinnen an einer Roadshow in der ganzen Schweiz präsentieren. Eine gute Idee?
Nein. Bundesratswahlen sind keine Castingshows. Aber, wenn es die SP so will, dann soll sie es machen. Diese öffentliche Show interessiert mich nicht, eine komische Vorgabe des SP-Präsidiums hingegen schon.

Welche?
Es ist keine gute Idee, das Geschlecht der Kandidierenden zum Hauptkriterium zu machen. Und es ist eine noch schlechtere Idee, jetzt unbedingt eine Frau mit jungen Kindern in den Bundesrat drücken zu wollen.

Diese Gruppe ist in der eidgenössischen Regierung bis jetzt nicht vertreten. Warum soll eine solche Forderung nicht gestellt werden?
Es braucht die besten Leute. Unnötige, einschränkende Vorgaben bringen nichts. Das neue SP-Marketingschema verlangt nach einer Vertreterin, die sich neben dem Bundesratsmandat auch noch mit Nuggis, Nuschelis und der Nanny beschäftigen soll. Egal, wie sich das offizielle Ticket der SP aber präsentiert; ich werde jemanden wählen, der darauf figuriert.

Seit heute ist klar, dass die Basler Ständerätin Eva Herzog und die Berner Regierungsrätin Evi Allemann antreten.
Evi entspricht den Vorgaben von Cédric Wermuth, Eva nicht. Schaun’mer mal, wer schlussendlich auf dem Ticket ist. Andere, dem Wunschschema der SP-Spitze entsprechende Kandidatinnen möchten ja dieses Mal nicht antreten. Zum Beispiel Flavia Wasserfallen, Nadine Masshardt oder Pascale Bruderer.

Die berühmte «Nacht der langen Messer» findet jeweils am Vortag der Wahl, heuer also am 6. Dezember 2022, statt, und zwar im Berner Nobelhotel Bellevue. Sind diese wahlentscheidend?
Ich bin nun seit zwölfeinhalb Jahren Mitglied des Nationalrats. Meinen Wahlentscheid habe ich immer früher als am Vorabend der Wahl getroffen. Das wird heuer nicht anders sein.

Man wird Sie demnach am 6. Dezember nicht in der Bellevue-Bar antreffen?
Kaum. Ich werde mit ein paar guten Freunden für ein paar gute Freunde kochen. Es wird eine Nacht der langen Küchenmesser.

Es soll genau 246 Menschen im Bundeshaus geben, die sich als Bundesrat sehen, nämlich alle 200 National- und 46 Ständeräte.
Sie können noch ein paar Beamte hinzufügen … Interessierte Parlamentarier hingegen gibt es höchstens 245.

Weshalb?
Ich gehöre nicht dazu. Erstens bin ich nicht gescheit, führungsstark und machtbewusst genug für den Job. Und zweitens, aber das ist aufgrund des Gesagten ohnehin irrelevant: Ich wäre niemals bereit, mein Leben in die Hände von einem «Hofstaat» zu legen, der meine Tage durchorchestriert und durchorganisiert.

rheintal24/stz.