«Treten wir näher, treten wir zurück!» Unter dieses Motto stellte Ruth Erat ihre Laudatio auf Willi Keller, der dieses Jahr von der Rheintaler Kulturstiftung mit dem «Goldiga Törgga» ausgezeichnet wurde. Für sein Lebenswerk als Künstler, als Maler und als Fotograf.
«Goldiga Törgga» für fünfzig Jahre freies Kunstschaffen
Andere Perspektiven
«Willi Keller hat ein grosses eigenes Werk geschaffen, arbeitet weiter daran», so Ruth Erat. Sie schaute genau auf die Bilder des Künstlers. In denen sie auch eine Kritik des in Zeiten von Facebook und Instagram verbreiteten heutigen Subjektivismus sieht. «Kunst fordert von uns andere Perspektiven. Und sie hält uns so vor Augen, was zu fragen, zu erkennen, zu tun wäre. Willi Keller macht das mit einer einfachen Geste. Er mutet mir zu, den Anderen Raum zu lassen. Viel Raum.»
Schon eingangs der Preisverleihung hatte Dr. Christa Köppel als Präsidentin der Rheintaler Kulturstiftung das Schaffen von Willi Keller hervorgehoben. Vor allem seine in Lasurtechnik gemalten Bilder. Eine sehr aufwändige Technik, bei der die Farben Schicht um Schicht auf die Leinwand aufgetragen werden. Oft –zig Schichten übereinander. Und die den Bildern eine einmalige Tiefe verleiht.
Genug arrivierte Künstler?
Bereits zum elften Mal wurde gestern im Kinotheater Madlen ein «Goldiga Törgga“ verliehen. Mit viel Humor erzählte Christa Köppel in ihrer Begrüssungsrede, wie man sich bei der Schaffung des Preises gefragt habe, ob man wohl überhaupt auf fünf Verleihungen kommen würde. «Gibt es denn genug arrivierte Künstler im Rheintal, die die entsprechende Qualität und Ausstrahlung auch über regionale Grenzen hinaus haben? Es hätt, es hätt und es hätt!»
Ein kurzer Exkurs: Der mit 15'000 Franken dotierte «Goldiga Törgga» ist ein Anerkennungspreis für ausserordentliche Leistungen von Rheintaler Kulturschaffenden oder Künstlerinnen und Künstlern mit Rheintaler Wurzeln. Er wird von der Rheintaler Kulturstiftung vergeben, dieses Jahr bereits zum achten Mal. Gewürdigt werden mit dem Rheintaler Kulturpreis die Nachhaltigkeit des Schaffens, die überregionale Ausstrahlung, Mut und Innovationskraft.
Junge, noch wenig etablierte Kulturschaffende
Maximal jedes zweite Jahr kann neu zusätzlich zum «Goldiga Törgga» der «Grüana Törgga» vergeben werden. Er ist die Auszeichnung der Kulturstiftung für junge, noch weniger etablierte Kulturschaffende und Künstler/innen mit Potential. Die Preissumme für den Nachwuchspreis beträgt 5'000 Franken.
«Der diesjährige Preisträger Willi Keller orientiert sich nicht an Trends und Moden», erläuterte Christa Keller die Entscheidung des Expertenkomitees, das die Wahl des Preisträgers Willi Keller getroffen hat, «Er ist über Jahrzehnte hinweg mit Mut und Innovationskraft eigenwillig und ohne Kompromiss seinen Weg gegangen.»
Fünfzig Jahre freies Kunstschaffen
Wovon auch sein letztes Jahr erschienene Buch zeuge: «Willi Keller. 50 Jahre freies Kunstschaffen». Und seine aufsehenerregende Fotoausstellung «Durch die Linse», die 2021 stattgefunden hat. Mit Bildern, die Keller vor fünfzig Jahren, als er noch als Pfleger in einer psychiatrischen Anstalt tätig war, von den dortigen Insassen geschossen hat.
Die Dankesrede des Geehrten bei der Preisverleihung war kurz, kam aber von Herzen. «Ich bin völlig überwältigt!» Und er dankte seiner Lebenspartnerin Jolanda Spirig, mit der er seit 27 Jahren ein glückliches und kreatives Paar sei. «Ich muss nur noch Bilder malen und meine Texte schreiben, alles andere macht Jolanda.» Keller zeigte sich auch überwältigt vom grossen Besuch der im vollbesetzten Kinosaals des Madlens stattgefundenen Preisverleihung. «Ich habe nicht mit mehr als zehn bis dreissig Leuten gerechnet.»
Viele kulturbegeisterte Leute im Rheintal
Da hat Willi Keller wohl die Rechnung ohne die vielen kulturbegeisterten Leute im Rheintal gemacht. Und hat mit dieser Bemerkung wohl Christa Köppel etwas aus dem Konzept gebracht. Jedenfalls hat sie dem Künstler nur die Verleihungsurkunde überreicht. Und ganz auf den eigentlichen Preis, den «Goldiga Törgga» vergessen. Was dann natürlich auch gleich nachgeholt wurde.
Die heimlichen Stars des Abends waren die drei Musiker des «Dani Rieser Trios». Bestehend aus Pianist Dani Rieser, Mario Söldi an den Drums und David Mäder am Kontrabass sorgten sie für die musikalische Umrahmung der Preisverleihung. Und wie!
Mitten in der Pandemie
Es wurden insgesamt fünf von Dani Rieser komponierte Stücke vom Erstlingsalbum des Trios «Levels of Life» vorgestellt. Im Herbst 2020, mitten in der Pandemie, wurden elf auserwählte, liebevoll veredelte Jazz-Perlen eingespielt. Stücke, die sich ins Ohr schmeicheln und den Geist beschäftigen. Stücke, bei deren Wiedergabe die drei exzellenten Musiker einen Raum schaffen, in dem die Kompositionen atmen und sich entfalten können. Stücke, mit denen im Kinotheater Madlen eine smoothe Lounge-Music-Atmosphäre geschaffen wurde.
Bei anschliessenden Apéro riche konnte man mit den vielen Gästen ins Gespräch kommen. Darunter die für Kultur zuständige Regierungsrätin Laura Bucher, die Amtsleiterin für Kulturförderung Ursula Badrutt-Schoch, der letztjährige Preisträger des «Goldiga Törgga» Carlo Lorenzi sowie die Gemeindepräsidenten von Rüthi und Oberriet Irene Schocher und Rolf Huber. Und viele mehr, darunter die bekannten Kulturliebhaber Beda Germann, Werne Ritter, Ruedi Dörig, Hans-Peter Enderli und Carlos Martinez.