Am kommenden Abstimmungssonntag ist auch über die Massentierhaltungsinitiative zu entscheiden. Wir haben mit Betroffenen gesprochen. Die Familie Carmen und Heinz Nüesch führt im Balgacher Riet einen Schweinemastbetrieb. Was für Auswirkungen hätte ein Ja zu dieser Initiative für sie?
«Dann wird Fleisch um bis zu vierzig Prozent teurer»
Perfekte Ordnung und Sauberkeit
Was als erstes ins Auge sticht, wenn man auf den Hof der Familie Nüesch fährt ist die perfekte Ordnung und Sauberkeit, mit der diese Landwirtschaft geführt wird. Nur ein leichter «Schweineduft» liegt in der Luft. Und Heinz Nüesch ist gerade mit dem Ausspritzen, also der Reinigung seines Stalles beschäftigt.
Gerne öffnet er seine Stalltüren für unseren Besuch. Denn da ist nichts zu verbergen. Neugierig kommen die Jungschweine. Jedes will sehen, was da los ist. Und jedes der Tiere macht einen aufgeweckten und gesunden Eindruck. Kein Wunder, stehen ihnen doch ein mit Stroh dick eingestreuter «Relaxing-Bereich», ein Fütterungsbereich und ein eigener Kotungsbereich zur Verfügung. Samt einem Plätzchen im Freien.
Besonders tierfreundliches Stallhaltungssystem
«Unsere Stallhaltung entspricht den Anforderungen von IP-Suisse», erzählt Heinz Nüesch im anschliessenden Gespräch, «und da allein mit der IP-Suisse-Prämie nicht gewirtschaftet werden kann, befolgen wir auch die existenten Bundesprogramme für «Besonders tierfreundliches Stallhaltungssystem» (BTS) und das «Raus»-Programm, das eine unüberdachte Fläche für die Schweine fordert. Denn dort wird der sich daraus ergebende Mehraufwand finanziert.»
Wieso er dann nicht gleich die Bio-Richtlinien befolgt, die nach dem Willen der Massentierhaltungsinitiative künftig für sämtliche Tierhaltungsbetriebe gelten solle? «Schauen Sie, bereits jetzt kann ja der Konsument freiwillig die besonders tierfreundlichen Bio-Produkte kaufen. Es wird ja alles angeboten. Das Problem ist nur, dass der Absatz zu gering ist, um verlässlich seine nach Bio-Richtlinien gemästeten Tiere dann auch tatsächlich zu einem kostendeckenden Preis in den Markt bringen zu können.»
Bio-Fleisch ist doppelt so teuer
Bei den Nüeschs steht nach dem IP-Suisse-Standard 1.6 m2 Fläche pro ausgewachsenem Tier zur Verfügung, das aktuelle Tierschutzgesetz fordert 0.9 m2. Derzeit werden rund 60 bis 62 Prozent der Mastschweine in der Schweiz nach IP-Suisse-Standard gehalten. Aber nur 40 Prozent können unter dem IP-Suisse-Label verkauft werden, weil es einen etwas höheren Preis hat. Bio-Fleisch ist bei den Lebensmittelläden doppelt so teuer.
Der Betrieb im Balgacher Riet hat ständig etwa 720 Schweine in Pflege. Diese kommen im Alter von zwölf Wochen und mit einem Gewicht von rund 25 kg auf den Hof, den sie nach drei Monaten und etwa 110 kg wieder verlassen. Denn dann sind sie schlachtreif. In dieser Zeit werden sie mit Getreidealleinfutter und Schotte oder Molke, einem Nebenprodukt der Käseproduktion gefüttert. Wobei bei dem Getreide jener Teil verfüttert wird, der nicht für den menschlichen Gebrauch bestimmt ist.
Viel grösserer Platzbedarf
Was würde sich denn bei der Familie Nüesch ändern, wenn die Massentierhaltungsinitiative durchgeht? «Wir hätten einen viel grösseren Platzbedarf. Den Stall, so wie er jetzt ist, könnten wir nicht mehr rentabel betreiben. Dazu müsste man einen Wühlbereich anlegen. Und den kleinen Ferkeln schon ab 24 Tagen Auslauf gewähren. Was ja nicht uns, sondern die Muttertierhaltung betreffen würde, denn in diesem Alter werden sie noch gesäugt. Und auch wenn sie dann mit zwölf Wochen zu uns kommen, wären sie noch zu empfindlich, um gleich Auslauf zu bekommen. Es gäbe ein Erkältungsrisiko. Und wir wollen so weit wie möglich auf Antibiotika verzichten.»
Gerade im Rheintaler Grenzgebiet sehe man ja, dass Schweizer Fleisch jetzt schon im Vergleich sehr teuer sei. Und der Biostandard würde alles noch mehr verteuern. «Aber wir Bauern produzieren, was der Konsument kauft. Und wer deckt dann die höheren Kosten? Wer verhindert, dass dann noch mehr in das benachbarte Ausland fahren, um billiges Fleisch zu kaufen? Und wer überwacht die dann unweigerlich folgenden Fleischimporte, ob sie denn wirklich nach Schweizer Biostandards produziert wurden?»
Biostandards für Importprodukte
Peter Nüesch, Präsident des St.Galler Bauernverbandes ergänzt, «Die Einführung eines Biostandards auch für Importprodukte würde den Vorgaben der WTO widersprechen und ist von daher gar nicht möglich. Ausserdem würde sich die Wertschöpfung bei Importware von der Schweiz in Länder wie Polen oder Brasilien verlagern.»
«Der Eigenversorgungsgrad der Schweiz mit landwirtschaftlichen Produkten würde stark sinken», warnt Christian Eugster von der Bäuerlichen Vereinigung Unteres Rheintal, «und auch Arbeitsplätze würden verloren gehen, da die Verarbeitung von Fleisch ja dort erfolgt, wo die Zucht erfolgt. Letztlich stellt sich auch die Frage, wie man künftig die Getreidenebenprodukte verwenden soll, wenn sie nicht mehr als Tierfutter gebraucht werden.»
Bereit, mehr für das Tierwohl zu machen
Schweinemäster Heinz Nüesch bringt die Diskussion auf den Punkt: «Wir Bauern sind durchaus bereit, noch mehr für das Tierwohl zu machen. Es muss aber abgegolten werden. Die Standards werden ohnehin regelmässig angepasst, die Anforderungen ständig erhöht. Und in der Schweiz wird auch zuverlässig kontrolliert. Und sollte es zu einem Ja zur Tierhaltungsinitiative kommen, müssen wir die Marktsituation anschauen, ob unser Produkt überhaupt noch gefragt ist und betriebswirtschaftlich durchrechnen, ob es sich überhaupt noch ausgeht.»
«Wenn es nur noch Biostandard gibt, dann müssen zwar die Preise sinken, dennoch werden sie mit Sicherheit 20 bis 40 Prozent über dem heutigen Niveau liegen. Und das gilt nicht nur für Schweinefleisch, sondern auch für Rindfleisch, Geflügelfleisch, Milchprodukte und Eier. Was im Jahr ein Plus von 1´800 Franken für einen durchschnittlichen Haushalt ausmachen wird», fasst Peter Nüesch zusammen.