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30.07.2022
29.07.2022 17:43 Uhr

Warum manche Gefängniszellen rosa gestrichen sind

Ob der rosa Anstrich wirklich geeignet ist, die Nerven der Gefangenen zu beruhigen?
Ob der rosa Anstrich wirklich geeignet ist, die Nerven der Gefangenen zu beruhigen? Bild: aargauerzeitung.ch
Laut Experimenten verringert die Farbe Rosa aggressives Verhalten bei Gefängnisinsassen. In der Schweiz wurden 2014 viele Zellen pinkfarben gestrichen. So auch ein Haftraum im Untersuchungsgefängnis St.Gallen. Das Regionalgefängnis Altstätten ist hingegen pink-freie Zone.

Vor einigen Jahren setzte in den Gefängnissen Europas und Nordamerikas ein seltsamer Trend ein: Sie begannen, einige ihrer Zellen rosa zu streichen. Das ging so weit, dass 2014 in jedem fünften Gefängnis und jeder Polizeistation in der Schweiz mindestens eine Haftzelle in einem knalligen Flamingo-Pink gestrichen war. Das Dekor diente nicht der Ästhetik oder dem Wohlbefinden der Straftäter, sondern einer bekannten wissenschaftlichen Studie aus den 1970er Jahren.

Experiment der 70er Jahre

Damals überredete der Forscher Alexander Schauss in den USA eine Strafvollzugsanstalt der Marine, einige ihrer Haftzellen rosa zu streichen, da er aufgrund seiner Experimente die Theorie vertrat, dass die Farbe das Verhalten der Insassen positiv beeinflussen könnte. Die Ergebnisse, die er erzielte, gaben ihm Recht.

In einer Schrift des Bureau of Naval Personnel hiess es, dass die Gefangenen nur 15 Minuten lang der rosa Zelle ausgesetzt sein mussten, um ihr aggressives Verhalten und ihr Gewaltpotenzial zu verringern. Tests in anderen Haftanstalten schienen seine Ergebnisse zu bestätigen, und nachdem sie 1979 und 1981 veröffentlicht worden waren, wurde der von ihm verwendete Farbton wurde aufgrund seiner stimmungsaufhellenden Eigenschaften in Gefängnissen auf der ganzen Welt eingesetzt.

"Cool Down Pink"

Der rosa Farbton – offiziell als P-618 bezeichnet, von Schauss aber Baker-Miller Pink genannt (nach den Direktoren des Marinegefängnisses, in dem er ihn zuerst getestet hat) – ist auf der ganzen Welt unter verschiedenen Namen bekannt geworden – von "Drunk Tank Pink" bis "Cool Down Pink".

Es gibt nur ein Problem: Schauss' Ergebnisse wurden nie erfolgreich wiederholt. «Es gab 2015 eine Studie, die ordnungsgemäss und unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt wurde und in der keine Beweise dafür gefunden wurden, dass Pink die Aggressivität reduziert», sagt Domicele Jonauskaite, Farbforscherin an der Universität Wien.

Eine Studie der Justizvollzugsanstalt Poschwies in der Schweiz, an der 59 männliche Häftlinge teilnahmen, ergab, dass es keinen Unterschied zwischen weissen und rosafarbenen Gefängniszellen in Bezug auf das Aggressionsniveau der Häftlinge gab. Auch wenn die scheinbar beruhigende Wirkung von «Drunk Tank»-Rosa angezweifelt wird, spricht die Bereitschaft, mit der es angenommen wurde, für etwas, das tief in der menschlichen Psyche verankert ist: Die Macht der Farbe.

Auswirkungen auf das Verhalten

Auch im Kantonalen Untersuchungsgefängnis St.Gallen wurde eine der Zellen in dieser pinken Farbe gestrichen. «Wissenschaftlich können wir als Betreiber nicht belegen, ob diese Farbe Auswirkungen auf das Verhalten hat. Vielmehr ist aus unserer Sicht ausschlaggebend, dass die Betreuung im sozialen Bereich professionell gestaltet wird» so Simon Anderhalden von der Polizei über Anfrage.

Im Regionalgefängnis Altstätten ist keine der Zellen rosarot gestrichen. Und das wird wohl auch so bleiben.

rheintal24/gmh/uh