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Oberriet
09.05.2022
10.05.2022 09:02 Uhr

Oberrieterin lässt sich in «Wiborada-Zelle» einschliessen

Gabi Ceric, Seelsorgerin und Pfarreibeauftragte aus Oberriet
Gabi Ceric, Seelsorgerin und Pfarreibeauftragte aus Oberriet Bild: zVg
Am 13. Mai wird sich Gabi Ceric, Seelsorgerin und Pfarreibeauftragte aus Oberriet, freiwillig für eine Woche in die «Wiborada-Zelle» in St.Gallen einschliessen lassen.

Vor über tausend Jahren lebte die Heilige Wiborada von St.Gallen neben der Kirche St.Mangen als Eingeschlossene in einer Zelle. Sie (über)lebte ausschliesslich durch Nahrung und Wasser, die durch ein kleines Fenster in die Zelle gereicht wurden.

Freiwillig eingemauert

Wiborada lebte freiwillig eingemauert in dieser Zelle. 1047 wurde sie als erste Frau vom Papst heiliggesprochen. Trotzdem ist Wiborada relativ unbekannt - das hat sich letztes Jahr geändert. Denn schon vor einem Jahr, im Frühjahr 2021, liessen sich zehn Frauen und Männer nacheinander in einer neu errichteten Zelle an der Aussenwand der Kirche St.Mangen für je ein Woche einschliessen, um dem Leben und Wirken der ersten heiliggesprochenen Frau nachzuspüren.

Das Projekt «Wiborada 2021» stiess auf eine grosse Resonanz in der Öffentlichkeit und kann als Erfolg bezeichnet werden. Die Inklusinnen und Inklusen wurden im letzten Jahr 810 Mal besucht, es erschienen über 70 Berichte in verschiedenen Medien zum Projekt und es gingen zahlreiche Spenden dafür ein – auch von Privaten.

Die Heilige Wiborada verbrachte insgesamt dreizehn Jahre ihres Lebens als Inklusin Bild: heiligederschweiz.ch

Das ökumenische Projektteam hat sich deshalb entschieden, das Projekt auch dieses Jahr fortzuführen. Die Bevölkerung soll Wiborada «erleben», dieser Schatz aus dem kulturellen Erbe der Stadt St.Gallen soll wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Weshalb sich seit letztem Jahr gläubige Menschen freiwillig in eine neu errichtete Zelle bei der Kirche St.Mangen einschliessen lassen.

Für eine Woche mit sich alleine

Unter jenen, die freiwillig für eine Woche diese Zelle bewohnen und dort auf die mildtätigen Gaben ihrer Mitmenschen angewiesen und auf wenigen Quadratmetern mit sich selbst alleine sind, befindet sich dieses Jahr auch die Oberrieter Seelsorgerin und Pfarreibeauftragte Gabi Ceric.

Nur durch ein kleines Fensterlein konnte sie versorgt werden Bild: heilige-wiborada.ch

Weshalb geht ein Mensch freiwillig für eine Woche in eine Zelle. Weshalb lässt man sich sozusagen «einmauern»? rheintal24 hat mit Gabi Ceric gesprochen. Und Verblüffendes erfahren. Denn für die Seelsorgerin und Pfarreibeauftragte ist es kein «Selbstfindungstrip» und keine «Einsamkeits-Challenge», sondern sie will mit dieser Aktion den Spuren der Heiligen Wiborada folgen und sich deren Lebens und Wirkens bewusst werden.

Ganz abgeschieden von ihrer Umwelt

«Wiborada war durch die Inklusion in ihre Zelle auf der einen Seite ganz abgeschieden von ihrer Umwelt. Auf der anderen Seite ist sie doch mit den Menschen vor Ort in Verbindung gestanden.» Tatsächlich hat es im Mittelalter eine Bewegung in ganz Europa gegeben, bei der sich Menschen - hauptsächlich Frauen - freiwillig einmauern liessen, um ganz mit sich und ihrem Gott alleine zu sein.

«Die dem Adel angehörige Wiborada hatte sich mit dieser Art des Lebens im Vorhinein genau auseinandergesetzt und war zunächst für vier Jahre Probeinklusin in St.Georgen», erzählt Gabi Ceric, «Erst dann hat sie sich definitiv für ein Leben in einer kleinen Zelle entschieden, die nach Genehmigung des Abtbischofs an die Aussenwand von St.Mangen, der ältesten Kirche St.Gallens, gemauert wurde. Ein Fenster nach draussen, um von ihren Mägden mit Essen und Trinken versorgt zu werden. Ein Fenster nach drinnen, um den Gottesdiensten folgen zu können.»

Die neue «Wiborada-Zelle» wurde, wie schon die alte, an die Kirche St.Mangen in St.Gallen angebaut Bild: fotogalerien.ch

Die Inklusin war aus dem kleinen Fenster hinaus Ratgeberin für die Leute, die ihren Rat suchten. Sogar der Bischof von Konstanz war einmal gekommen, um sich bei der später heiliggesprochenen Wiborada in einer heiklen Sache zu erkundigen. Nach zehn Jahren verstarb Wiborada in ihrer selbst gewählten Isolation.

Jeden Tag acht Liter Wasser

Wie kann man sich das heute vorstellen? Freilich verfügt die letztes Jahr in St.Gallen errichtete «neue» Wiborada-Zelle nicht nur über einen Holzeimer, um die menschlichen Ausscheidungen wieder aus dem Fenster zu entsorgen, sondern hat ein Toi-Toi-WC eingebaut. Und jeden Morgen erhält die Inklusin einen Kanister mit acht Liter Wasser. Es steht auch ein Bett in der Zelle. Das war es dann aber auch schon mit den «Luxusgütern».

Denn, wie Gabi Ceric erzählt, darf man zwar mit in die einwöchige Zellenabgeschiedenheit mitnehmen, was man zu brauchen glaubt. Aber an Literatur sind nur geistliche Werke erlaubt. «Am besten die Bibel. Elektronische Geräte aller Art sind nicht erlaubt. Man ist für sieben Tage absolut analog und offline. Daher freue ich mich sehr auf diese Woche. Dass ich digital unerreichbar sein werde. Erreichbar nur für Gott und das Gebet.»

Fenster zur Aussenwelt

Das Fenster zur Aussenwelt wird zwei Stunden am Tag geöffnet. Nach Mittag und vor dem Abendgebet. «Aber man weiss nie, was da für Typen vorbeikommen, was für Anliegen sie haben und welche Fragen sie stellen. Das wird mit Sicherheit spannend...». Wir wünschen Gabi Cedic jedenfalls eine gesegnete Woche und werden anschliessend über ihre Erfahrungen berichten.

pd/rheintal24/gmh/uh