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Kommentar
Gesundheit
26.02.2022

Abrechnung mit einem Virus

Bild: shutterstock.com
Schluss, Ende, Aus. Ich mag nicht mehr. Mit dem Ende aller Schutzmassnahmen ist noch meine persönliche Infektion gekommen. Jetzt will ich einfach nichts mehr von diesem Virus wissen. Eine persönliche Abrechnung von Chefredaktor Dr. Gerhard Huber.

Für mich ist die Pandemie vorbei. Ich bin endgültig in der inneren Endemie angekommen. Und diese Endemie ist ja bekanntlich – wieder eine dieser Prof. Drosten-Vorhersagen – das wahrscheinlichste Abschlussszenario für Covid-19. Was das heisst? Wir müssen mit Corona leben, weil dieser verdammte Widerling nie wieder aus unserem Leben verschwinden wird.

Fiebergeschüttelte Tage und Nächte

Ja, das ist nicht neu. Neu für mich ist meine in den letzten, fiebergeschüttelten Tagen und Nächten gereifte Einstellung. Schluss mit meinem persönlichen Kampf gegen den Virus. Schluss mit Kommentaren, Essays und kritischen Berichten. Schluss mit Engagement. Es lässt sich eh nicht mehr verhindern. Mein neuer innerer Zustand, meine «innere Endemie» ist eine Mischung aus Resignation, Rücksichtslosigkeit und Egalheit.

Ein Gefühl der Befreiung. Wobei ich nicht so tun werde, als existiere Corona nicht. Dass der Virus Realität ist, haben meine Frau und ich gerade schmerzhaft erfahren müssen. Aber ich werde mich künftig minimalkonform verhalten, was die Regeln angeht. Denn offensichtlich ist es ja ohnehin allen egal, ob sie mit ihrem Verhalten ihre Mitmenschen gefährden. Man muss nur in den letzten Tagen auf einem Maskenball gewesen sein, um das zu wissen. Auch dem Staat ist es offensichtlich wurscht, dass der Virus grenzenlos übertragen werden kann. Dann soll es mir nur recht sein.

Jede Vorsicht fahren lassen

Um konkret zu sein: Sollten nochmals Kontaktbeschränkungen erlassen werden, es wäre mir egal. Ich würde trotzdem zuhause sieben Leute aus zehn Haushalten begrüssen. Ausser in besonders sinnvollen Situationen eine FFP2-Maske aufzusetzen, lasse ich jetzt jede Vorsicht fahren.

Der arroganteste Aspekt meiner inneren Endemie ist die Tatsache, dass es mir inzwischen vollkommen schnurz ist, ob und wie viele Ansteckungen es gab oder gibt. Die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz im Rheintal von 1´152 hätte mich noch vor kurzer Zeit tatsächlich belastet. Jetzt schüttle ich nur noch nachsichtig den Kopf und wundere mich.

Social distancing is dead

Mir sind Menschen nicht egal, aber nach zwei Jahren Pandemie heisst innere Endemie: Ich habe akzeptiert, dass sich früher oder später ohnehin alle mit Omikron anstecken, wie die meisten Fachleute sagen. Deshalb umarme ich Leute, ich gebe die Hand, ich gehe in Kneipen und Restaurants und zu Veranstaltungen und treffe mich mit Menschen. Social distancing is dead. Ich habe mich schon gefragt, warum das so ist, wie und warum ich also die innere Endemie erreicht habe, samt eigener Minimalcoronaregeln. Und ich habe Gründe dafür identifiziert.

Mein Verständnis für Leute, die sich immer noch nicht freiwillig haben impfen lassen, ist aufgebraucht. Nein, bitte nicht falsch verstehen, ich habe persönlich nichts gegen diese Leute. Dem Staat würde ich nach wie vor raten, sie zur Impfung zu überreden oder mit einer Impfprämie zur Impfung zu drängen. Aber ich habe eben realisiert, dass die allermeisten Menschen mit schweren Verläufen und Aufenthalten in der Intensivstation sich selbst hätten schützen können und daher weder mein Mitgefühl noch meine Empörung brauchen. Ausgenommen jene, die tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Die haben wirklich den Schwarzen Peter erwischt.

Corona ist nicht harmlos

Gerade nachdem ich jetzt als Geimpfter selbst eine Coronainfektion mit relativ mildem Verlauf mitgemacht habe, weiss ich: Corona ist nicht harmlos, aber mit allen Impfungen muss man schon verdammt viel Pech haben, um damit zur Hölle zu fahren. Also ist es höchste Zeit für uns Geimpfte, dass wir mit unserem normalen Leben weitermachen. Von daher ist es gut, dass Papa Staat die den Ungeimpften geschuldete Handbremse jetzt gelockert und die Eigenverantwortung zum Kernprinzip der Handlungsweisen erhoben hat. In Wahrheit hat er sich damit nur der eigenen Verantwortung entledigt.

Es kommt mir vor, dass die Normalität rasend schnell zurückgekehrt ist. Und wenn ich mir die grosse Anzahl der über Nacht aus dem Boden gestampften Maskenbälle, Umzüge und anderen fasnächtlichen Vergnügungen anschaue, scheint es etwas zu schnell zu gehen.

Kleines, langweiliges Leben

Es scheint mir immer öfter so, dass gerade die erbitterten Schutzmassnahmengegner, Querdenker und Impfgegner gerne auch weiterhin eine pandemische Situation sehen würden. Vielleicht deshalb, weil nach dem jetzt ausgerufenen Ende der Pandemieschutzmassnahmen die meisten von ihnen wieder nur noch in ihr kleines, langweiliges Leben zurückfallen. Und nichts mehr haben, das ihre vermeintlich leere Existenz mit Sinn auffüllt.

Keine Demos, keine abendlichen Ausflüge nach Bregenz, um dort gegen die ach so schrecklichen Ösi-Massnahmen zu demonstrieren. Wie schön war es doch, mit gleichgesinnten «Spaziergängern» und Demonstranten gleich welchen Couleurs eine Schmuseeinheit zu bilden. Dass dabei immer die tätowierten, kaum behaarten Lederstiefelträger von ganz rechts mit im Boot waren – geschenkt.

Aber, wie gesagt, wir spielen längst wieder offensiv Alltag. Und den werden wir uns auch nicht mehr aus der Hand nehmen lassen. Weder von Coronaleugnern noch von der Politik.

rheintal24/gmh/uh
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