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Heimische Eichhörnchen durch Squirrel verdrängt?

Robust und bestrebt, neue Reviere zu erkunden: Das aus Amerika stammende Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) verbreitet sich in Europa. In Großbritannien servieren manche Restaurants schon Grauhörnchen-Ragout, um heimischen Nagern zu helfen.
Robust und bestrebt, neue Reviere zu erkunden: Das aus Amerika stammende Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) verbreitet sich in Europa. In Großbritannien servieren manche Restaurants schon Grauhörnchen-Ragout, um heimischen Nagern zu helfen. Bild: shutterstock.com
Das einheimische Eichhörnchen droht auszusterben? Nein, noch ist es nicht so weit. Doch in einigen Teilen Europas werden sie schon von den eingewanderten amerikanischen Kollegen, den Squirrel, verdrängt.

Das Grauhörnchen aus Nordamerika könnte bald auch in die Schweiz einwandern. Gegenüber dem heimischen Verwandten ist es im Vorteil - nicht nur aufgrund seiner Grösse.

Es klopft am Terassenfenster

Klopf, klopf, klopf. Das Geräusch kommt vom Terassenfenster und stammt von einem flauschigen Fellbündel, das wiederholt gegen die Glasscheibe springt. Aus Neugierde auf das, was hinter dem Zimmer liegt. Als das Tier eine Bewegung hinter der Tür bemerkt, flitzt es zwei Stockwerke senkrecht an der Hauswand nach unten und verschwindet im benachbarten Wald.

Der morgendliche Besucher ist eines von vielen Eichhörnchen, die in dem Wald beim Brändlis Hang am Rand von Heerbrugg herumhüpfen. Manche haben ein milchkaffeebraunes Fell, andere ein fuchsrotes. Doch auch graue und fast schwarze Tiere sind darunter. Das heimische Eichhörnchen gibt es in vielen Farbvarianten. Die grauen unter ihnen haben bei uns in letzter Zeit allerdings oft keinen guten Ruf. Sie stehen - zu Unrecht - im Verdacht, Vertreter einer eingewanderten Art zu sein.

Bild: bund-naturschutz.de

An den Ohrpuscheln zu erkennen

Fälschlich wird vermutet, dass es sich um «Sqirrels", um amerikanische Grauhörnchen handelt. Eine invasive Art, die tatsächlich sehr erfolgreich manche Teile Europas besiedelt und ihre zierlicheren europäischen Verwandten dort zum Teil sogar verdrängt haben.

Grauhörnchen zählen ebenfalls zu den Eichhörnchen, sind aber eine andere Art als unsere europäischen Eichhörnchen. Diese lassen sich leicht an ihren putzigen Ohrpuscheln erkennen. Betroffen von der Grauhörnchen-Ausbreitung sind vor allem England, Irland und Italien, wo die Tiere einst von Amerikareisenden mitgebracht und dann ausgesetzt wurden. Von Italien aus breiten sie sich Richtung Frankreich und Schweiz aus.

Irgendwann auch in der Schweiz

Die Sqirrels gelten als robust und bestrebt, neue Reviere zu erkunden. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen dass sie ihr Gebiet irgendwann auch bis ins Rheintal ausweiten werden. Noch sind bei uns aber keine wild lebenden Vorkommen bekannt. Noch markieren die Alpen die Hörnchen-Grenze.

Wo die Grauhörnchen jedoch erst einmal hingelangen, dort umfasst ihr Erfolgsrezept viele Zutaten. Dabei geht es weniger um eine direkte körperliche Überlegenheit, auch wenn die amerikanischen Tiere fast doppelt so gross sind wie die europäischen. Eine entscheidende Rolle spielt vielmehr die Anfälligkeit der Eichhörncen für verschiedene Krankheiten, die ihre amerikanischen Vettern über den grossen Teich mitgebracht haben.

Infektion mit Parasiten

Eine Infektion mit bestimmten, von den Grauhörnchen stammenden Würmern ändert das Verhalten der europäischen Hörnchen. Sie werden ruhiger und suchen weniger eifrig oder erfolgreich nach Futter. Erstaunlicherweise passiert das Gleiche selbst dann, wenn sich ein europäisches Hörnchen mit einem heimischen, also vertrauten und normalerweise nicht besonders störenden Wurm infiziert. Aber nur dann, wenn es in einem Gebiet lebt, in dem auch Grauhörnchen vorkommen.

Auf lange Sicht könnte ihre reduzierte Aktivität den europäischen Eichhörnchen weitere Nachteile bringen und so dazu beitragen, dass sie von den grauen vertrieben werden.

Mehr Stresshormone

Warum das so ist? Vermutlich stresse allein die Anwesenheit der nordamerikanischen Hörnchen ihre hiesigen Verwandten, schreiben italienische Forscher. Schon vor zwei Jahren wurde bewiesen, dass im Blut von europäischen Eichhörnchen mehr Stresshormone zirkulieren, wenn auch Grauhörnchen im selben Gebiet leben. Die dauerhaft erhöhte Anspannung könnte die Abwehrkräfte der heimischen Eichhörnchen verringern, sodass sie auch mit ihren eigenen Würmern schlechter zurechtkommen.

Ausserdem schwächeln die heimischen Tiere aufgrund des chronischen Stresses womöglich bei der Nahrungssuche, was ebenfalls zu einem insgesamt schlechteren Gesundheits- und Immunzustand in Anwesenheit der grauen Verwandten beitragen könnte. Eine Wurminfektion und die daraus folgende Inaktivität verstärken das Problem dann noch.

Wettstreit der Hörnchen

Der Wettstreit der Hörnchen wird in Italien zusätzlich durch ein Pockenvirus bestimmt. Dieses stört die häufig damit infizierten Grauhörnchen kaum. Befällt der Erreger jedoch ein europäisches Eichhörnchen, stirbt es meistens.

Damit sind die europäischen Hörnchen deutlich im Nachteil gegenüber ihren amerikanischen Verwandten. Zumal es vielen Experten zufolge kaum erfolgversprechend erscheint, die Grauhörnchen durch gezielte Massnahmen wieder aus Europa zu vertreiben. Ansätze wie in England, wo manche Restaurants etwa Grauhörnchen-Ragout auf die Speisekarte setzten, konnten daran kaum etwas ändern.

Friedliche Koexistenz im Nadelwald

Immerhin gelingt in seltenen Fällen eine einigermaßen friedliche Koexistenz von heimischen und zugewanderten Hörnchen. Bedingung dafür ist unter anderem ein Nadelwald, denn dort haben es die Eichhörnchen leichter im Vergleich zu ihren grauen Verwandten. Baummarder haben sich als Verbündete der heimischen Nager bewiesen, da sie - wenn beide Arten zur Auswahl stehen - lieber amerikanische Hörnchen fressen.

Allerdings hat auch der Baummarder einen Gegenspieler: den Fuchs. Der jagt Marder und erhöht damit wiederum die Überlebenschancen der Grauen. So stehen die Chancen für die heimischen Eichhörnchen nicht allzu gut, wenn sie erst einmal Besuch von den amerikanischen Verwandten bekommen haben.

rheintal24/gmh/uh